Das große Missverständnis über den Libertarismus

Offensichtlich machen wir Libertären einen ziemlich guten Job. In letzter Zeit bekomme ich verstärkt ein Argument zu hören: Ihr Libertären seid so dogmatisch, ihr lasst keine andere Meinung zu, ihr haltet alle anderen für dumm.

Für mich ist das ein klares Anzeichen dafür, dass den Jüngern des Staates die Argumente ausgehen. Da ich nicht hundertmal dasselbe sagen will, erkläre ich es jetzt hier: Wir Libertären lassen jede MEINUNG zu. Wir sagen nur, dass man niemanden zu dieser Meinung zwingen darf. In einem libertären System kann es alles geben: Grundeinkommen, Sozialhilfe, gleiche Entlohnung für Ärzte und Fließbandarbeiter und was es sonst noch so an sozialistischen Ideen gibt. Entscheidend ist nur, dass niemand gezwungen werden darf, bei so einem System mitzumachen.

Manche denken auch, dass Libertäre gegen Mehrheitsentscheidungen seien und nennen diese “demokratisch”. Das ist ein fundamentales Missverständnis. In jedem Unternehmen (Aufsichtsrat, Vorstand) und jeder Eigentümergemeinschaft (z.B. Häuser mit mehreren Wohnungen) gibt es Mehrheitsentscheidungen. Der entscheidende Unterschied: Niemand wird gezwungen, Teil des Unternehmens oder der Eigentümergemeinschaft zu sein. Er kann sie verlassen, wenn ihm die Mehrheitsentscheidung nicht passt. Der Staat ist aber immer da. Ich kann höchstens von einem Staat zum nächsten, also vom Regen in die Traufe kommen.

Damit kommen wir direkt zum nächsten Vorwurf: Wir würden alle anderen Menschen für dumm halten. Sicherlich könnte man auch sagen: “uninformiert”, “geblendet von der Propaganda”, “staatlich umerzogen” und so weiter. Aber der libertäre Grundgedanke ist so simpel, dass es nun mal nicht besonders viel Hirnschmalz bedarf, um ihn zu verstehen: Jeder Mensch ist Eigentümer seines Körpers und damit der Früchte seiner Arbeit. Ausführlicher erkläre ich das in meinem Artikel “Die größte Täuschung aller Zeiten”.

Aber gut, ich gestehe zu, da muss man auch immerhin fünf Minuten lesen und man könnte noch herumdiskutieren, was eigentlich Eigentum ist. Daher will ich versuchen, den Libertarismus in einem Satz zusammenzufassen, der ohne Vorkenntnisse auskommt:

Es ist unmoralisch, Menschen zu etwas zu zwingen, solange sie noch keinem anderen geschadet haben.

So, und wenn jemand diesen Satz nicht versteht, wie soll ich ihn dann bezeichnen? Ist er nur “anderer Meinung”? Nein, denn wenn er anderer “Meinung” ist, heißt es, dass er mich zu etwas zwingen will. Das ist unmoralisch. Und wer das nicht versteht, ist dumm. Ganz einfach. Daher kommt es natürlich auch, dass Libertäre Menschen, die das nicht verstehen, als dumm bezeichnen. Es ist nicht als Beleidigung gemeint, es ist ein Fakt. Man sollte das natürlich immer erst aussprechen, NACHDEM man ihnen das erklärt hat.

Aber, bei Zeus, was gibt es daran denn viel zu erklären? Libertäre wollen niemanden zu etwas zwingen. Punkt. Einfacher geht’s doch nicht.

Falls jetzt noch irgendjemandem ein Argument dafür einfällt, warum man Menschen zu etwas zwingen darf, nehme ich das Argument hier auf. Ich schreibe den Artikel solange um, bis ihn jeder versteht, der nicht dumm ist. Diesen Artikel kann dann jeder posten, der mit dem Vorwurf konfrontiert wird, er ließe keine andere Meinung zu oder er wäre “dogmatisch”. Es kann niemals einen Kompromiss dabei geben, die Freiheit jedes Menschen zu verteidigen. “Dogmatisch” oder “kompromisslos” ist in so einem Fall ein Kompliment.

Ja, ich bekenne mich kompromisslos zur Freiheit jedes Einzelnen. Sie endet nur da, wo der Einzelne die Freiheit eines anderen beschränkt.

Erste Ergänzung: Es kam der Einwand, Schaden wäre nicht genau definiert. Im Libertarismus spricht man davon, man dürfe keine “initiierende Gewalt” anwenden. Das ist natürlich trennschärfer, aber viele Menschen verstehen den Begriff “initiierende Gewalt” nicht. Daher habe ich die Vergangenheitsform gewählt, also “solange sie keinem anderen geschadet haben”. Das Ziel meines Satzes ist NICHT, semantische Diskussionen zu betreiben, was denn nun Schaden sei. Darüber kann man ja von mir aus streiten. Aber man kann NICHT darüber streiten, dass es unmoralisch ist, jemanden zu zwingen, der gar keinen Schaden anrichtet. Will heißen: Man kann über Schaden diskutieren, aber nicht über den Grundgedanken des Libertarismus und um den geht es mir.

Dann kam noch: Kann ich also jeden zu allem zwingen, sobald er einen Schaden angerichtet hat? Aber bei aller Liebe, so missversteht den Satz doch niemand. Hier geht es, wie gesagt, nicht um Semantik, sondern den Grundgedanken.

Im Übrigen muss man Schaden nicht genau definieren. Es gibt auch im Libertarismus eine Grauzone, etwa bei Lärmbelästigung oder Luftverschmutzung. Entscheidend ist, dass beide den Schlichter freiwillig wählen und nicht einer, der Staat, das Monopol auf die Rechtsprechung hat.